Lebenslänglich Geliebte
Theater: Komödie „Besser spät als nie“ erzählt leichthändig eine böse Geschichte
Ein großer Erfolg war die Premiere von „Besser spät als nie“ am Freitag in Münsters Boulevardtheater: Die Leute lachten und applaudierten begeistert. Dabei ist die Geschichte von Autor Derek Benfield eigentlich gar nicht lustig.
Bernhard ist verheiratet, verknallt sich aber in der Kneipe in die lebenslustige Marion. Es entwickelt sich eine wilde Affäre, und nach einigen Monaten träumen beide von Heirat. Doch als Bernhard seine Frau um die Scheidung bitten will, kommt sie ihm mit einer anderen Botschaft zuvor: Sie ist schwanger. Bernhard wird weich und lässt Marion ohne Begründung sitzen.
22 Jahre später treffen sie sich zufällig wieder. Marion ist mittlerweile verwitwet – eine reife, attraktive Frau mit Kindern, die auf ein erfülltes Leben zurückblickt. Bernhard ist hingegen derselbe Windbeutel wie immer, mit derselben Ehefrau. Und dennoch geht die Affäre von vorne los, als wäre in der Zwischenzeit nichts passiert.
Liebes-Albtraum
Viele Erwachsene kennen das bestimmt: Sie träumen nachts, dass sie ihr Abitur noch einmal bestehen müssen. „Ich habe das doch alles schon hinter mir“, ruft man, aber es hilft nichts: Der Lehrer legt einem die Mathe-Klausur hin, obwohl man von Mathe keine Ahnung mehr hat. Genauso ist die Stimmung in diesem Stück. Ein Albtraum geht von vorne los. Das ist ein wirklich spannender Plot, den man sich gut auch auf einer „ernsten“ Bühne vorstellen könnte. Bei Autorin Yasmina Reza wären die beiden Protagonisten wahrscheinlich in der Psychiatrie gelandet, bei Rainer Werner Fassbinder hätten sie sich mit der Axt erschlagen.
Autor Derek Benfield muss daraus eine Boulevardkomödie stricken und löst die Aufgabe glänzend mit dem Stilmittel der Ironie. Die Figuren auf der Bühne leiden, lieben und bangen nicht wirklich. Sie witzeln sich stattdessen sarkastisch durch alle Katastrophen. Als Bernhard in der Kneipe Marion kennen gelernt hat, erzählt er es sofort seiner Frau, die darüber abgeklärte Scherze macht. Als die Witwe Marion 22 Jahre später vom Tod ihres Mannes berichtet, gewinnt sie dem Herzinfarkt auf dem Golfplatz zahllose Lacher ab.
Dabei lässt das Stück in der
Schwebe, ob die Figuren hinter dieser Ironie ihre wahren Gefühle verstecken, oder ob sie wirklich so oberflächlich sind. Das Schauspieler-Duo Karin Winkler und Klaus Nicola Holderbaum trifft den
glitzernden, zynischen Ton
perfekt. Winkler gibt als attraktive, selbstbewusste,
manchmal auch etwas zerstreute Geliebte ein fulminantes Münster-Debüt. Holderbaum hat die physische Präsenz, um auch den unvermeidlichen Standard-Slapstick zum Erfolg zu führen: das rasende (und alberne) Versteckspiel, als die 50-jährigen Turteltauben nicht von ihren erwachsenen Kindern entdeckt werden wollen. Dem Publikum gefiel’s.
Beide Schauspieler übernehmen auch die Nebenrollen, dabei wirkt Karin Winkler als betrogene Ehefrau wie die Zwillingsschwester von Gaby Dohm.
Regisseur Klaus-Dieter Köhler hält das Spiel mit sicherem Timing und viel Bewegung zusammen. Das New-York-Bühnenbild von Elke Ober ist angenehm unplüschig, und die 80er-Jahre-Hits des Soundtracks machen sofort gute Laune. Mit dieser Inszenierung wird der Sommer in Münster nicht langweilig.
Quelle:
www.boulevard-muenster.de
Text: Manuel Jennen