Zusammenprall mit Taktgefühl

Premiere: „Sechs Tanzstunden in sechs Wochen“ begeistert im Nassau-Sporkenburger Hof – Bewegende Komödie mit Herz

Wenn die einsame Witwe eines Baptistenpredigers und ein schwuler Revuetänzer-oder besser: wenn eine „verknöcherte alte Schachtel“ und eine „autoaggressive Tunte“ zusammentreffen, dann kracht es tüchtig. „SechsTanzstunden in sechs Wochen“ ist eine Komödie mit viel Charme, ein Stück, das rührt und bewegt – und das in jeder Beziehung.

LAHNSTEIN. Ja, es ist mal etwas anderes, was die Städtische Bühne Lahnstein ihrem Publikum mit .Sechs Tanzstunden in sechs Wochen“ auftischt. Es lässt leiser lachen, das Zwei-Personen-Stück von Richard Alfieri. hatte man prophezeit. Leiser vielleicht, aber nicht weniger, das merken Theaterfreunde bei der Premiere Im Nassau-Sporkenburger Hof schnell. Denn zwischen Emotionalität und Schicksalsschlägen gibt es jede Menge komische Momente und witzige Dialoge. Und das auf ziemlich hohem Niveau.
Sie geht ans Herz, die Geschichte von der einsamen Seniorin Lily Harrison, der Witwe eines Baptistenpredigers, die sich über eine Agentur einen Tanzlehrer, den abgerissenen und schwulen Revuetänzer Michael Minetti ins Maas bestellt – eine hochexplosive Mischung. Der Tanz ist das Leitmotiv der Handlung, das Fundament der Beziehung zwischen den beiden so unterschiedlichen Charakteren, die eigentlich an einem Punkt in ihrem Leben angekommen sind, wo sich eben nichts mehr bewegt, an dem sich alles nur um sie selbst dreht.
Und es knallt sofort zwischen den beiden. Michael (Rocco Hauff) plappert sich als aufbrausender (vielleicht eher Nord-)Italiener bereits bei der ersten Begegnung um Kopf und Kragen und latscht seiner neuen Schülerin tüchtig auf die Füße, noch bevor sie den ersten Takt miteinander getanzt haben. Rocco Hauff mimt den berechnenden „Ich-pfeif-auf-andere“-Typen hervorragend und schält seine Figur von Szene zu Szene zu dem, was Michael wirklich ist: ein einsamer, verletzter, liebenswerter Kerl. Dabei schafft Hauff den Spagat zwischen Scherzkeks und Frauenversteher, zwischen .autoaggressiver Tunte“ und perfektem Schwiegersohn, sorgt mit punktgenauen Pointen für Lacher und rührt mit stillen Gesten.

Letzteres funktioniert freilich nur mit dem passenden Gegenüber. Und zwischen Rocco Hauff und Christiane Arndt passt alles. Die 65-Jährige spielt super authentisch – sie ist emotional, humorvoll, scharfzüngig und bietet ihrem Partner tüchtig Paroli. Schön schrullig serviert sie etwa ihre genervte Nachbarin am Telefon ab, erweicht von einer „verknöcherten alten Schachtel“ zur mütterlichen Freundin, entpuppt sich von der Moralhüterin zur frechen Tanzmaus, die es gerne faustdick hinter den Ohren gehabt hätte, hätte sie ihr Mann nicht ihr Leben lang ausgebremst.

Der intensivste Moment auf der Bühne ist wahrscheinlich Lilys Rückblick in die Zeit, als ihre Tochter starb. Geschüttelt von Trauer und Selbstanklage erzählt sie Michael das Schicksal ihres Kindes, das endgültig einen Keil zwischen sie und ihren Ehemann trieb. In den Stuhlreihen ist es mucksmäuschenstill. Gänsehaut. Erste Liga.
Dass Christiane Arndt und Rocco Hauff ebendort spielen, dafür hat in diesem Fall auch Regisseur Klaus-Dieter Köhler gesorgt, der mit „Sechs Tanzstunden in sechs Wochen“ ein fabelhaftes Debüt in Lahnstein feiert. Mit bangem Blick hat er sich seine Inszenierung von der letzten Reihe aus angesehen und schließt sich am Ende sichtlich zufrieden den Zuschauern an, die mit einem seligen .Ach, wie schön“ aus dem Theater schlendern.

Zum Bild: Bewegend sind nicht nur die Tanzszenen, sondern auch die Dialoge. Rocco Hauff und Christiane Arndt verleihen dem Erfolgsstück dabei eine Extraportion Charme. Den Standardtanz lernten die beiden Akteure – In zahllosen Tanzstunden in fünf Wochen – von Tanzlehrer Mathias Hußmann.

Quelle: Zeitung Lahnstein, Juni 2008
Von Michaela Cetto