Carl Millöckers „Bettelstudent“ im Theater Trier

Gesellschaftskritische Operettenkomik

Eine alte klassische Operette löst auch heute noch einen Sturm der Begeisterung aus. So geschehen jetzt bei der Premiere von Carl Millöckers „Der Bettelstudent“ im Theater Trier, die wohl im voll besetzten Haus die in dieser Saison pompösesten Applauskundgebungen – selbst schon innerhalb des szenischen Ablaufs – mit rhythmischem Klatschen provozierte.

Beifall umtoste Premiere in turbulenter Inszenierung

Der Beifall galt in gleicher Weise dem umfangreichen Solistenensemble, dem verstärkten Chor, dem Orchester und selbstverständlich den Akteuren des Abends, denen Regisseur Klaus-Dieter Köhler als in Trier lang bekannten Bühneninitiator die Richtung vorgab.

Diese Richtung zielte trotz aller Komödiantik und Lustbarkeit, die das im Jahre 1882 in Wien uraufgeführte Stück, das auch als komische Oper bezeichnet wurde, enthält, auf deutliche Charakterisierungen zwischen örtlicher Politik und Gesellschaftskritik. Das aufeinander losgehen mit blitzenden Degen gehörte dabei zu einem unaufhörlichen Element der Inszenierung und gestaltete sich sogar als Fechtchoreografie (Choreograf: Alexander Ourth) in tänzerischem Sinn. Dabei wird ein historisches Kostümaufgebot in totaler Pracht vorgestellt (Ruth Groß), das man auf aktuellen Bühnen nur noch selten zu sehen bekommt.

Im Bühnenbild von Wolfgang Wanninger kommen gleich mehrere optische Kennzeichnungen zum Ausdruck, die auch das inhaltliche Sujet des Werkes berühren. Ein stählerner Käfig steht im Zentrum der Bühne, der sich als Gefängnis, als Marktstandort des Gelderwerbs, als verrotteten Schlossraum oder Gartenhaus verwandelnd zu erkennen gibt. Eine Gesellschaft, die im Käfig lebt, kann auch in ihrem Denken nur schwerlich aus dem Gefangensein herausgelangen. Dies gilt für den Standort Krakau in Polen, wo Millöckers Operette spielt, in gleicher Weise wie bei den sächsischen Besatzern, die die Stadt erobert haben.

Unter ihnen ist Oberst Ollendorf der leitende Gouverneur, der in der Gestalt des Baritons Thomas Schobert den gesamten Stückablauf prägt, sei es komisch, intrigant, militaristisch oder verräterisch. Schönen Damen küsst er dabei gerne auf die Schultern, was bei Millöcker das musikalische Hauptthema des gesamten kompositorischen Geschehens auslöst. Gräfin Palmatica (Eva Maria Günschmann) und ihre beiden Töchter Laura (Adréana Kraschewski) und Bronislawa (Evelyn Czesla) stehen hier im Zentrum einer verzweifelten Männersuche, da die Mutter verarmt ist, und die Töchter möglichst attraktive Adelsvertreter mit entsprechenden Vermögen suchen. Solche werden sie aus dem Gefängnis erhalten, aus dem zwei Krakauer Studenten entlassen werden, die sich sodann im dramaturgischen Kuddelmuddel der Operette Millöckers zu wohlhabenden Feudalisten verwandeln, ein Prozess, dcr die Handlungsstruktur des Werkes in seinen drei Akten dominierend prägt, und die kritische Sicht auf die vorhandene Gesellschaftsform zwischen Machtausübung und Geldgier entscheidend definiert.

Bewegte Neuinszenierung

Hier wird auch von Sängern schauspielerisch viel verlangt, was Regisseur Köhler bestens auf die Reihe bringt. Im Blickfeld des Titelhelden steht Tenor Michael Putsch als Symon Symónowicz mit seinen Kommilitonen Jan Janicki (Eric Rieger) der ebenso wie die bereits genannten Damen in stimmlicher und gesanglicher Hochfasson zum Erfolg des Abends beiträgt. Dem großartigen Chor in seinen zahlreichen szenischen und gesanglichen Auftritten (einstudiert von Jens Bingert) gesellt sich ein weiteres Solistenensemble aus Chormitgliedern hinzu und nicht zu vergessen ist die Person des Kerkermeisters (Peter Koppelmann), der als Behinderter die Geschicke um die Figuren und Operationen in seinem Areal zu leiten hat.

Noch ist Polen nicht verloren. Krakau wird demzufolge von den sächsischen Besatzern befreit. Die Damen erhalten ihre gewünschten Kavaliere. Diesen Prozess musikalisch einzufangen, war Aufgabe des Orchesters, das unter der Leitung des impulsiv dramatischen Dirigenten Christoph Jung die enorme Vielseitigkeit der kompositorischen Gestaltung des Werkes, die ohne Zweifel auch in den Umkreis der Oper eindringt, schlagkräftig zum Ausdruck brachte. Bezieht man nun noch alle Comedy-Effekte und Tcxthurmoresken mit ein, die die bewegte Trierer Neuinszenierung des „Bettelstudent“ bis hin zu filmischen Einblendungen prägen, so ist der tosende Beifall des amüsierten Publikums mit Rufen und Klatschmarsch ein dankbares Echo für einen Theaterabend der uneingeschränkten Sonderklasse.

Quelle:
Luxemburger Wort, Januar 2008
Von Wolfgang Stauch-Von Quitzow