Zwischen Koitus und Küche – Premiere von Debbie Isitts schwarzer Komödie „Gatte gegrillt“ in den Kammerspielen

WIESBADEN – Sie rührt, hackt, schneidet. Tagaus, tagein steht Hilary in der Küche, um Ehemann Kenneth glücklich zu machen. Liebe geht schließlich durch den Magen! Doch wenn die Laken kalt bleiben, kann der Herd noch so heiß brutzeln – der Gemahl geht lieber mit Partygirl Laura ins Bett. Ein moralisches Problem hat er damit nicht: Klaus Nicola Holderbaum gibt den untreuen Göttergatten als vordergründig charmanten Spitzbuben mit Elvis-Spleen in der Midlife Crisis, der nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist und stets der Frau an seiner Seite den schwarzen Peter zuschiebt. Beispielhaft ist das Szenen-Ping-Pong, in dem die typische Abwärtsspirale einer langjährigen Ehe anhand der Frühstücks- und Abendbrotsituation von verschmust über frustriert bis resigniert dargestellt wird.

Launige Inszenierung

Jene geschickte Balance aus ernsten und amüsanten Szenen macht den Reiz von Debbie Isitts schwarzer Komödie „Gatte gegrillt“ in der launigen Inszenierung von Klaus-Dieter Köhler aus, die in den Kammerspielen Premiere feierte. Da gerät der Schwerenöter zwischen Koitus und Küche arg ins Schwitzen, hat trotzdem Zeit für hüftschwache Tanzeinlagen und abstruse Erklärungen, wie er sich selbst einen eindeutigen Kratzer vom Nacken bis zum Hinterteil beigebracht haben will. Klar, die zwei Frauen in seinem Leben wissen nur zu gut, dass Kenneth nicht das Gelbe vom Ei ist. Und können doch nicht von ihm lassen, obwohl er sie hemmungslos gegeneinander ausspielt. Die junge Laura avanciert mit den Jahren zwar zur Ehefrau Nummer zwei, steht jedoch beständig im Schatten von Hilarys Kochkunst, die zum Sinnbild für ihre Beziehungsprobleme wird („Mach Dir selbst ein Brot!“). Christina Otto läuft sich als aufmüpfige Femme fatale, die das Gezerre um den Mann trotz ihres schlechten Gewissens nicht aufgeben kann, schnell warm.

Wahrlich herausragend ist Svenja Kareen Assmann als ihr scharfzüngiger Konterpart Hilary, einem Ausbund an Tüchtigkeit und Contenance, der sich am Kochlöffel festklammert. Auf den ersten Blick ein zugeknöpftes Hausmütterchen mit strengem Gouvernantendutt („Und all die Jahre, die ich für Dich gekocht habe!“) ist sie ihrem tumben Ehemann und seiner Geliebten stets einen Schritt voraus.

Brodelnde Emotionen

Svenja Kareen Assmann lässt dabei die hinter der beherrschten Stepford-Fassade brodelnden Emotionen so raffiniert dosiert aufblitzen, dass der ungeheuerliche Schmerz, die Selbstzweifel, der Wunsch nach Nähe, aber auch die lauernde Gefahr nahezu räumlich greifbar werden und das Lachen mitunter im Halse stecken bleibt. Dass sie vor Wut über den Mann, der 15 Jahre Ehe für ein bisschen Sex in die Tonne tritt, wortwörtlich kocht, bekommt Kenneth in seiner Eitelkeit nicht mit – und so steuert die Ménage à trois („Du wolltest von beiden Tellern essen!“) ins unvermeidliche Verhängnis, wo die Frage, ob sich ein zu Hackfleisch verarbeiteter treuloser Mann wohl eher als Frikadelle oder Sauce Bolognese eignet, zentralen Stellenwert aufweist…

Viel Applaus für einen kurzweiligen Premieren-Abend.

 

Foto: Kammerspiele
Quelle: http://www.wiesbadener-kurier.de
Von Julia Anderton