„Verliebt sein ist Marketing“ – „Mondscheintarif“ – ein vergnügliches Stück über Strategien und Nöte der modernen Frau in den Kammerspielen

Von Beke Heeren-Pradt

WIESBADEN – „Wer bin ich eigentlich?“ Am Ende eines Abends im Wechselbad der Gefühle angesichts offensichtlich gescheiterter Beziehungsanbahnungs-Strategien stellt sich Cora Hübsch die alles entscheidende Frage. Kühl abgeklärte Intellektuelle oder heißblütiger Vamp, quirliger Single, stets auf Männersuche, oder naiv-träumerisches Mädchen auf der Suche nach dem Märchenprinzen?

Ständig wechselnde Gefühlslagen

All diese Rollen hat sie schon x-mal ausprobiert, war mal mehr und mal weniger erfolgreich, ist am Ende jedoch immer noch allein. Und dabei ist sie schon 33 dreiviertel Jahre alt, genervt von zweideutigen Bemerkungen ihrer Mutter über dauernd neugeborenen Familienzuwachs – und ständig dabei, sich abzuarbeiten an den Schönheits- und Attraktivitätsanforderungen, die an die moderne Frau von heute gestellt werden.

„Mondscheintarif“ heißt der unterhaltsame Monolog aus der Feder von Erfolgsautorin Ildikó von Kürthy, der in einer Neuinszenierung von Klaus-Dieter Köhler in den Wiesbadener Kammerspielen am Donnerstag als Bühnenstück Premiere feierte. Mit der Schauspielerin Saskia Huppert, die mit offensichtlicher Freude am Spiel die stundenlang rastlos auf den entscheidenden Anruf wartende Cora gibt, haben Theater und Regisseur genau die passende Darstellerin gefunden. Im gut eineinhalb Stunden langen Bühnensolo gelingt es ihr von Beginn an, das (nicht nur weibliche) Publikum mitzunehmen auf den verschlungenen Pfaden ihrer ständig wechselnden Gefühlslagen und mit einer Menge komischem Talent auch die erfrischende Selbstironie des Texts zu vermitteln.

Cora ist verliebt. Sie hat tatsächlich den Mann ihrer Träume gefunden, auch wenn die ersten Begegnungen mit ihm alles andere als gelungen scheinen. Das Problem ist nur: „Verliebt sein ist Marketing“ – davon ist sie nach zahlreichen gescheiterten Beziehungen und Beziehungsanbahnungen überzeugt. Nach dem ersten Zusammentreffen müsse das weitere Vorgehen genau geplant werden, denn: „Man muss sich für die zweite Runde qualifizieren.“ Und so berichtet sie von dem Schlachtplan, den sie mit ihrer besten Freundin Jo entwirft und erzählt, wie sich alles ereignet hat bis zur ersten gemeinsamen Nacht, nach der es an ihm sei, anzurufen. Sie müsse ihn zappeln lassen. Dass sie selbst dadurch am meisten zappelt, wird ihr immer wieder zwischendurch bewusst und es treibt sie zu absurdem Samstagabend-allein-zu-Hause-Aktionismus mit Frustessen von jeder Menge Schokolade, mit Wäschewaschen, Fernsehen – und einem Gefühlschaos zwischen Wut, Minderwertigkeitskomplexen, Selbstmitleid und Anflügen von Inkonsequenz gegenüber dem immer wiederholten Mantra des Wartens auf den Anruf. Dass das alles in der unbeschwerten und entwaffnenden Form eines Monologs rund um die zentral auf der Bühne stehende Couch stattfindet, ermöglicht dem Publikum einen außerordentlich vergnüglichen Abend – noch dazu mit Aussicht auf ein Happy-End…

 

Quelle: www.wiesbadener-kurier.de
Fotos: Christof Mattes

 

Komödie, gut gekühlt

Im Gemeindesaal der Wiesbadener Bergkirche blühen seit 2009 die Kammerspiele – und starten in die neue Saison.

Von Matthias Bischoff

Kann es Schöneres geben, als an einem Sommerabend in einem pittoresken Gemäuer zu sitzen und ein Theaterstück anzusehen? Wer sich in diesen tropischen Tagen samt Mückenterror und Wespenplage nach drinnen sehnt, findet kaum einen angenehmeren Ort als die Kammerspiele Wiesbaden. Deren Versprechen: „Der Bühnenraum ist klimatisiert, es herrschen angenehme Temperaturen.“

Etwas versteckt im selben Gebäude untergebracht ist der Gemeindesaal der Wiesbadener Bergkirche, wirkt das kleine Theater in der Beletage zunächst wie eine etwas abgenutzte Altbauwohnung, Parkettboden, Samtvorhänge, Plüschsofas und Kristalllüster verströmen im kleinen Café im Vorraum eine bürgerliche Atmosphäre, die Theke aus gestapelten Holzkisten sorgt für den gewünschten Bruch. Das Ambiente passt durchaus zum Programm des Theaters. Es gibt solide Unterhaltung, gehobenes Boulevardtheater mit hervorragenden Schauspielerinnen und Schauspielern im Mittelpunkt.

Gewiss kein Zufall, denn Intendant Gregor Michael Schober, der das Theater 2009 gegründet hat, ist selbst Schauspieler, stand unter anderem in Frankfurt und Darmstadt auf der Bühne. Die mehr als 100 gut besuchten Vorstellungen im Jahr beweisen, dass auch in einer Stadt wie Wiesbaden Theater jenseits vom Stadttheater funktionieren kann.

Naturgemäß taugt die kleine Bühne nicht für effektheischende Materialschlachten, hier arbeiten die Schauspieler ohne Vorhang mit wenigen Requisiten vor den maximal 70 Zuschauern.

So genügen Saskia Huppert im Erfolgsstück „Mondscheintarif“ nach dem Roman von Ildikó von Kürthy ein Sofa, ein paar rasch übergeworfene Kostüme und vor allem ein Telefon, um die verwickelte Geschichte ihres holprigen Liebesabenteuers mit ihrem vermeintlichen Traummann zu erzählen. Der Monolog der auf den alles entscheidenden Anruf wartenden Cora Hübsch wird von Huppert mit herrlicher Situationskomik dargeboten. Mit dem von Klaus-Dieter Köhler inszenierten Ein-Frau-Stück begann nun die neue Spielzeit, am 10. und 11. August ist es wieder zu sehen.

Das Sommerprogramm vor „Marlene“, der ersten Premiere im Herbst, ist fast ein Best-of-Festival: Mit Daniel Glattauers E-Mail-Romanzen „Gut gegen Nordwind“ und „Alle sieben Wellen“, beide von Hausherr Schober inszeniert, mit der schwarzhumorigen Komödie „Gatte gegrillt“ oder dem Kontaktanzeigenspaß „Traumfrau verzweifelt gesucht“: Liebe und andere Katastrophen lassen sich wohltemperiert genießen, während andere im Freien schwitzen.

Quelle: FAZ

 

Info:

Kammerspiele Wiesbaden

„Gatte gegrillt“ am 27., 28. und 29. Juli,
„Gut gegen Nordwind“ am 3. und 4. August,
Beginn jeweils um 20 Uhr

 


 

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