Kartenhaus-Idyll – oder die kleinen Gaunereien des Alltags

15 Minidramen von Jutta Schubert

Unter dem  nach spanischer Komödie , Molière oder Marivaux anmutenden Titel verbergen und  tummeln sich 15 kurze Minidramen der Wiesbadener Autorin Jutta Schubert, die in den Jahren von 1989 bis heute entstanden sind. In diesem täglichen Wahnsinn (so der Titel eines der Dramen) fliehen zwei gar nicht so clevere Gauner vor der Polizei nach Honolulu, trennen und finden sich Paare, Passanten auf der Suche nach der großen Liebe, beim Imbiss , im Café, der Strassenbahn oder im Kino,  verschwinden Menschen einfach von der Bildfläche , stürzen sich zu Tode oder  lösen ihr Problem einfach mit dem finalen Rettungsschuss. Dabei vermischen sich Realität und Fiktion zu wunderbaren Geschichten, die am Ende nur das Theater schreiben kann, oder vielleicht doch das wirkliche Leben, wenn sich zum Auftakt die Frage stellt: „Sein oder nicht sein“? Aber mit dieser Bagatelle lässt sich dann doch ganz gut leben.

Das Kartenhausensemble feiert 2018 bereits sein 10 jähriges Jubiläum. Unter seinem Dach spielen verschiedene kleine Ensembles an verschiedenen Orten.  Das Kernensemble um den Schauspieler Halvor Boller  spielt zumeist in seinem Domizil „Die Probebühne“ in Strinz -Margarethä. Unter der Regie von Klaus-Dieter Köhler spielen im Kartenhaus-Ensamble

 

Corinna Mahrenholz,
Barbara Haker,
Markus Klaholz,
Halvor Boller

und alternierend
Saskia Huppert und Rebekka Herl

 


 

Premierenabend im Kulturpalast: „Kartenhaus-Idyll“ und „Fiesta Mexicana – Horst in Mexico“.

WIESBADEN – Ein gemischtes Doppel: Der Premierenabend an diesem Freitag im Kulturpalast bringt gleich zwei neue Produktionen auf die Bühne. Erstmals präsentiert das Kartenhaus-Ensemble in der Regie von Klaus-Dieter Köhler das „Kartenhaus-Idyll“ von Jutta Schubert. Und nach der Pause geht es weiter mit Dietmar Bertram und „Fiesta Mexicana – Horst in Mexico“.

„Das bot sich einfach an: Beim Idyll handelt es sich um 13 Minidramen von Jutta Schubert – das ist ja kein langer Theaterabend“, erläutert Klaus-Dieter Köhler, der mit dem von ihm gegründeten Ensemble 2018 zehnjähriges Bestehen feiert. Das Kernensemble um den Schauspieler Halvor Boller spielt meistens in der „Probebühne“ in Strinz-Margarethä. Aber die Orte wechseln – und die Schauspieler: Für die neue Produktion kooperiert das Kartenhaus-Ensemble erstmals mit dem Freien Theater Wiesbaden. Barbara Klaukien ist dabei und freut sich, „in die ganz unterschiedlichen Szenen von Jutta Schubert hineinzuswitchen“.

Mit diesen Einaktern der Wiesbadener Autorin arbeitet der freie Regisseur Köhler schon lange: „Wir kennen uns aus Studienzeiten, sie hat schon 1989 die ersten Minidramen für die Junge Bühne Schlangenbad geschrieben.“ So sei inzwischen eine große Anzahl entstanden – und es kommen immer neue hinzu. Heute im Kulturpalast wird es auch eine Uraufführung geben, mit einer Trump-Parodie.

Wie verbindet er die oft sehr unterschiedlichen Szenen? „Es gibt eine Art Running Gag, der als gemeinsame Klammer fungiert“, sagt Köhler. Das Ganze funktioniere auch gut als Gegenpol zu Dietmar Bertram von der „Compagnie Marram“. Das bringe gemeinsam „die richtige Portion Theater“ in den Kulturpalast, so Klaukien.

Für sie sei es „bereichernd und wichtig“, dass die Bühnen miteinander kooperieren: „Es gibt für freie Bühnen so wenig Plätze, um zu spielen. Dass der Kulturpalast da mitzieht, ist toll, bringt ihn aber auch an Kapazitätsgrenzen.“ So mache es der Kulturpalast möglich, dass am 1. Dezember eine zweite Vorstellung hier gegeben werden kann. Das freie Theater Wiesbaden ist mit „Katz und Maus“ – einer Milieustudie aus dem Arbeiterviertel um 1900 – auch am 16. Dezember dort wieder zu Gast. Und im Februar hat die Produktion „Am Ende bleibt Schweigen“ hier Premiere. Außerdem werden noch mehr Angebote für Schulen erarbeitet, berichtet Barbara Klaukien.

Klaus-Dieter Köhler ist ohnehin gut vernetzt. Im Moment probt er parallel für eine andere Inszenierung: In den Kammerspielen Wiesbaden bringt er Dario Fos „Offene Zweierbeziehung“ auf die Bühne, Premiere ist am 1. Dezember.

Zahlen & Daten
Premiere des Doppelabends im Wiesbadener Kulturpalast (Saalgasse 36) ist am heutigen Freitag, Einlass ist um 19.30 Uhr. Karten kosten im Vorverkauf (unter anderem bei der Tourist-Info) 22 Euro, an der Abendkasse 18 Euro. Eine zweite Vorstellung findet am Freitag, 1. Dezember, statt.

Von Birgitta Lamparth

 


 

STRINZ-MARGARETHÄ – „Das mag Ihnen zu hoch sein, aber das ist Theater!” – so die Aussage einer Darstellerin des „Kartenhausensembles“. Aber damit meinte sie nicht das Publikum, sondern ihren „Gegenspieler” auf der winzigen Bühne in Strinz-Margarethä. Dem Publikum war keineswegs zu hoch, was da gespielt wurde. Ganz im Gegenteil: Auf Augenhöhe und dazu noch sehr witzig entfaltete sich ein interessanter Kosmos von Charakteren – alle der Fantasie der Wiesbadener Autorin Jutta Schubert entsprungen. Sie schreibt und inszeniert nicht nur abendfüllende Stücke und Romane, sondern widmet sich auch immer wieder gerne dem „Minidrama” auf der Theaterbühne, sozusagen das Äquivalent einer Kurzgeschichte.

Reaktion auf die Absurditäten des Alltags

Nur wenige Minuten dauern die Szenen, 15 an der Zahl, die sich Jutta Schubert ausgedacht hat. Ursprünglich ohne sie in einen Zusammenhang zu stellen, sondern als literarische Fingerübung oder auch kleine Reaktion auf die Absurditäten des Alltags. Den roten Faden, der die Stückchen miteinander verband, knüpfte Regisseur Klaus-Dieter „KaDe” Köhler: ein alter Bekannter von Jutta Schubert und von Hausherr Halvor Boller, der seine Scheune immer wieder zur „Kartenhaus-Bühne” umfunktioniert und rund zwei Dutzend Zuschauern ein abwechslungsreiches Programm bietet. „Kartenhaus-Idyll oder die kleinen Gaunereien des Alltags” war der Abend überschrieben. Dieses Mal gab es auch einige neue Gesichter auf der Bühne: Neben den bereits oft dabei gewesenen Akteuren Markus Klaholz und Corinna Mahrenholz, bekannt von der Jungen Bühne Schlangenbad, spielten dieses Mal noch Barbara Haker vom Wiesbadener Freien Theater und Saskia Huppert mit. Letztere ist derzeit in den Wiesbaden Kammerspielen unter der Regie von „KaDe“ Köhler als Cora im „Mondscheintarif” zu sehen. Nicht zu vergessen Halvor Boller selbst und Fabienne, die kleine Tochter des Regisseurs. Sie spielt mit Begeisterung in ihrer Schul-Theater-AG. Ein Abend unter (Theater)-Freunden also, und das „Gemeinschaftswerk”, so bezeichnet es der Regisseur, habe wohl auch sichtlich Spaß beim Inszenieren gemacht. Dass die Szenen einige Running Gags erhalten haben, die sie miteinander verbinden, ist eine gute Idee: So zieht immer mal wieder jemand den gleichen Spielzeugrevolver aus der Tasche, und ein Koffer voller Geld spielt auch eine dauerhafte Nebenrolle.

„Ganz leicht aufgeschnittene Pulsader“

Im Panoptikum der Alltagsgaunereien sehen wir Theaterkritiker, Einbrecher, Gattenmörder. Ein nicht verliebtes Ehepaar. Hartgesottene Passanten, die niemandem helfen, höchstens ein Selfie knipsen. Einen Selbstmörder. Einen Dichter auf dem Weg zur Bachmann-Preisverleihung nach Klagenfurt, der sich Gedanken um sein Outfit macht und zu dem Schluss kommt, dass eine „ganz leicht aufgeschnittene Pulsader” wohl das sinnvollste Styling wäre. Wer der „dumme Sohn” ist, der nun König geworden ist und „mit einem Streichholz die Welt anzünden kann”, wäre auch ohne Trump-T-Shirt schnell klar, und wer war nun eigentlich auf dem alten Gruppenfoto drauf, oder ist das doch nur ein Fleck auf dem Negativ? Was war überhaupt noch gleich ein Negativ? Und ein Dackel ist auch dabei, wenn auch nur aus Plüsch.

Die theatralischen Momentaufnahmen reizen meist zum Lachen, auch wenn es manchmal im Halse stecken bleibt. Scharf beobachtete, oft absurde Alltagsszenerien, klug verbunden und mit Filmmusik angereichert. Der Bilderbogen, den Regisseur und Schauspieler spannten, gefiel auch Autorin Jutta Schubert.

Von Anja Baumgart-Pietsch

 

Quelle: Wiesbadener Kurier
Bild: wita/Martin Fromme