Kartenhausensemble

Stück von Adel Hakim
mit Sebastian Kroll

Premiere in Schlangenbad am 18. März

Diese Produktion ist buchbar für Schulen und andere Veranstaltungen.

Nächste Vorstellung: Kabarett der Galgenstricke, Esslingen am 14. Mai um 20.00


Der Monolog „Executor 14“ des französischen Autors Adel Hakim wurde 1990 im Centre Dramatique National in Paris uraufgeführt. Die deutsche Erstaufführung fand 1991 am TAT in Frankfurt am Main statt.

Die Geschichte ist inspiriert vom Bürgerkrieg im Libanon, hat aber auch in der heutigen Zeit Bestand und könnte im Jemen, in Syrien, im Donbass oder sonstwo auf der Welt geschehen. Durch den Überfall russischer Truppen auf die Ukraine hat das Stück eine traurige Realität erhalten.

Der Kampf zwischen den rivalisierenden Parteien gibt keinem die Chance, sich abseits zu halten, macht jeden zum Opfer oder zum Täter, auch die junge Titelfigur. Executor 14 wird beim Spaziergang mit seiner Freundin überfallen und gefangengenommen, die Freundin vergewaltigt und getötet. Der Jugendliche wird selbst zum Kämpfer. Sein Monolog macht die Schrecken des Kriegs gegenwärtig: Er zeigt, wie Hass entsteht. Ein Monolog, in dem die Sprache schließlich selbst in Fetzen fliegt.

Adel Hakim wurde 1953 in Kairo geboren, wuchs in Beirut auf und promovierte in Paris in Philosophie.an der Sorbonne.

Er studierte Schauspiel in Paris und New York und schrieb zahlreiche Theaterstücke. Er arbeitete innerhalb und außerhalb Frankreichs als Schauspiellehrer , Regisseur und Dramaturg, und organisierte unter dem Titel Théatre des Quartiers du Monde Veranstaltungen rund um internationale Schriften.

Adel Hakim starb 2017 in Ivry-sur-Seine

Die Inszenierung wird gefördert durch den Rheingau-Taunus im Rahmen des Projekts „Neustart Kulturszene RTK“

 


Kritik

 

Knallharte Realität

GEORGENBORN. Es ist eine reife Leistung, die der 25-jährige Sebastian Kroll in dem Ein-Personen-Stück „Executor 14“ in der Inszenierung des Kartenhausensembles bietet. Gut eine Stunde lang fesselt er das Premierenpublikum in der Jungen Bühne mit seiner authentischen Darstellung eines jungen Mannes, der sich vom unbeschwerten Träumer zum Kriegsopfer und schließlich zum wütenden Kämpfer entwickelt.
Zu Recht beschränkt sich Klaus-Dieter Köhler in seiner Inszenierung, die durch den Kulturfonds des Rheingau-Taunus-Kreises gefördert wird, auf geringen Material- und klugen Musikeinsatz. Denn die Bühnenpräsenz des ehemaligen Schauspielschülers und derzeitigen Studenten der Theaterwissenschaft braucht wenig Unterstützung. Gerade, weil er vor allem die leisen Töne beherrscht und Dramaturg Halvor Boller selbst in den schockierendsten Momenten keine unkontrollierten Gefühlsausbrüche vorsieht. Auch wenn Autor Adel Hakim das Stück im libanesischen Bürgerkrieg ansiedelt, wirkt es in diesen Tagen wie ein Blick auf das Geschehen in der Ukraine. Wer Wert auf eine Innensicht von Menschen legt, die in einer belagerten und umkämpften Stadt wie Mariupol leben, der wird hier bestens bedient. Wer bereits aufgrund der Nachrichten und Bilder von Putins Krieg nur schlecht schlafen kann, für den ist diese Aufführung derzeit mit Vorsicht zu genießen, weil sie so gut gelungen ist. Die überraschende Klammer, die aus dem Off über die Aufdeckung einer Geheimorganisation in Hessen Anfang der 1950er Jahre berichtet, hätte es jedenfalls nicht gebraucht, um für das Publikum einen direkteren Bezug zum Inhalt des Stücks zu kreieren.

Rivalität bringt das Fass zum überlaufen

„Jetzt haben uns die Ereignisse überrollt“, verdeutlicht Köhler. Zwar habe man bereits während der Probenarbeit einen Bezug zum Donbas-Konflikt gesehen, aber nicht damit gerechnet, dass zum Zeitpunkt der Premiere tatsächlich Krieg in der Ukraine herrschen würde. „Das hat es nicht leichter gemacht, in diese Rolle zu schlüpfen“, betont Kroll. Denn viel zu gut kann man sich derzeit in die Rolle des Protagonisten hineinversetzen, der phasenweise seine Flinte nicht mehr aus der Hand legt. „Niemand war wirklich in Gefahr, aber alle bewaffneten sich“, schildert er die Anfänge des Konflikts zwischen den verschiedenen Clans. Von da an dauert es nicht mehr lange, bis die gegenseitige Rivalität das Fass zum Überlaufen bringt und ein Funke für einen Flächenbrand sorgt. Wer überlebt, gewöhnt sich an die Situation, auch als die Bomben kommen. Kroll gelingt es, den Protagonisten in seinem heimischen Versteck nach wie vor als sehr jungen Mann darzustellen. Wenn er sich Pistazien, einen Softdrink sowie eins seiner Comic-Hefte schnappt, um beim Schmökern die Füße auf den Tisch zu legen. Er lernt aber auch das Kampfgeschehen um sich herum zu lesen, um zu entscheiden, wann er seinen Unterschlupf verlassen kann. Als es bei einem seiner Ausflüge zur Gruppenvergewaltigung und Hinrichtung seiner Freundin kommt, wird er selbst zum Krieger. „Das Spiel ist gratis, der Einsatz dein Leben“, lautet eine der zahlreichen treffenden Formulierungen, die zu dem bleibenden Eindruck beitragen, die diese Inszenierung hinterlässt.

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Wie der Hass entsteht

Klaus-Dieter Köhler und das Kartenhaus-Ensemble mit Adel Hakims „Exekutor 14“ in der Spielstätte Marleen

Theater spiegelt Realität. Doch diese erschreckende Aktualität war wirklich nicht geplant. Der Monolog „Exekutor 14“, von Adel Hakim vor dem Hintergrund des Libanon-Krieges geschrieben und 1990 in Paris uraufgeführt (DEA 1991 am TAT Frankfurt), zeigt die Entstehung von Hass. Sebastian Kroll zieht mit leiser Intensität besonders in den Bann. Gänsehaut pur.

Ein Tisch, ein Stuhl, Holzklotz und Axt, ein paar Dosen, ein Schlafsack und eine Knarre mit Zielfernrohr – mehr Ausstattung braucht es nicht.
Tränen hat er keine mehr, Ruhe oder Schlaf findet er nicht mehr. Der junge Mann, ein träumerischer Beobachter der Machtkonflikte diverser Clans, wurde plötzlich zum Kriegsopfer, seine Freundin überlebt ihre Vergewaltigung nicht. Er mutiert verzweifelt zum Gewalt-Täter. „Und dann war ich auch so.“
Bomben fallen, das Zuhause wird Zuflucht und Versteck, es geht um’s nackte Überleben. Pistazien, Comics, Gewehr in Griffnähe. „Solange du Deinen ID hast, bist Du schuldig für Manche, verlierst Du ihn, bist du schuldig für Alle.“

Ja mach nur einen Plan. Im Sommer des vergangenen Jahres wollte Regisseur Klaus-Dieter Köhler das bedrückende Solostück des Libanesen Adel Hakim (UA 1990 Paris) – von ihm 1993 am Regensburger Theater inszeniert – für das Kartenhaus-Ensemble herausbringen. Jemen, Syrien und den Donbass vor Augen wurde geprobt. Dann holte „die blutige Realität eines Angriffskrieges mitten in Europa“ das Ensemble ein.
Um falschem Pathos vorzubeugen, setzt der Sohn des langjährigen Wiesbadener GMDs, schwedischen Hofkapellmeisters und wichtiger Zeitzeuge im oral history-Projekt des Stadtarchiv-Fördervereins, gezielt Kompositionen seines Vaters ein. Wirkt wie ein Filmsound und kurbelt das Kopfkino zusätzlich an.

Die Inszenierung (Dramaturgie Halvor Boller) ist eine runde Sache inklusive Flyer (Roni Merza) mit dem Emblem der „Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsgegner“. Anhaltender Applaus.

www.kartenhausensemble.de

Text und Foto: Gesine Werner