„WENN ES ABEND WIRD, WENN DIE SONNE SINKT“

Hier finden Sie Trailer aus 2013:

Gräfin Mariza
Gräfin Mariza – Theater Trier

 

ZUR HANDLUNG

I. Was einem nachts im Museum alles so passieren kann! Ein Student, der den Anschluss zu seiner Reisegruppe verpasst hat, erlebt, wie zur „Geisterstunde“ eine längst versunken geglaubte Welt zu neuem Leben erwacht… Alles kreist dabei um die schöne und reiche Gräfin Mariza, die sich auf ihr transsylvanisches Landgut flüchtet. Um lästigen Mitgiftjägern zu entkommen, gibt Mariza ihre Verlobung mit einem von ihr frei erfundenen „Baron Zsupán“ bekannt. Doch mir nichts, dir nichts steht der verblüfften Mariza plötzlich ein leibhaftiger Zsupän – Gutsbesitzer aus Varasdin – gegenüber, der von der Verlobung aus der Presse erfahren hat und sich angesprochen fühlt.  Diese unerwartete Wendung  bringt Mariza allerdings weniger aus dem Konzept als die Begegnung mit Graf Tassilo Endrödy-Wittemburg, der nach dem Verlust seines Vermögens inkognito auf Marizas Anwesen untertauchen konnte, um als Gutsverwalter unter dem Namen Bela Törek eine angemessene Mitgift für seine Schwester Lisa zusammen zu sparen. Schon bei der ersten Begegnung zwischen Mariza und Tassilo kann man das Knistern zwischen den beiden spüren. Aber die launische Gräfin verwehrt dem einfachen Verwalter den Zutritt zur Festgesellschaft ihrer „Verlobungsfeier“. Als Tassilo sich im Gegenzug weigert, für sie und die Gesellschaft zu singen, entlässt ihn die Gräfin schroff aus seinen Diensten. Doch nachdem die Gäste abgereist sind, kommen sich die beiden wieder näher…

II. Wochen scheinen vergangen zu sein. Gräfin Mariza findet immer mehr Gefallen an den leidenschaftlichen Avancen ihres Verwalters, in dessen Nähe sie sich auffällig wohl fühlt. Inzwischen hat auch Baron Zsupán längst nicht mehr die Gräfin, sondern Komtesse Lisa im Visier. Tassilo aber leidet zunehmend unter seiner Rolle als Verwalter; in einem Brief an seinen Freund Liebenberg spricht er sich aus. Als dieser Brief zufällig in die Hände Marizas gerät, glaubt sie, dass auch Tassilo – dessen wahre Identität ihr jetzt klarwird -es ebenfalls nur auf ihr Geld abgesehen habe. Der Empörung folgt der Eklat – es kommt zum Bruch zwischen Mariza und Tassilo.

III. Rettung naht in Person der Fürstin Bozena Cuddenstein zu Chlumetz, die ihren Neffen Tassilo aller finanzieller Sorgen enthebt und die schon verpfändeten Güter wieder in Familienbesitz genommen hat. Gerne vermittelt sie nun auch zwischen Tassilo und Mariza, die jetzt ebenso standesgemäß zusammen kommen können, wie Komtesse Lisa und Baron Zsupán aus Varasdin. – Der Student aber muss zurück in die Welt von heute, denn im Museum bricht der Tag an und neue Besucher stehen bereit, die Figuren aus der guten alten Zeit zu bestaunen. An das Mädchen Piroschka, das ihn durch diese rauschhafte Nacht begleitete, wird er wohl noch oft denken…

 

ZAUBERHAFTE, VERSUNKENE WELT

Zigeunergeigen, Grafen, Barone, Komtessen, livrierte Diener, Landgüter, Salons und die ganze kaiserlich-königliche Husarenschneidigkeit… die schillernde Welt der einstigen Donaumonarchie hat, obwohl sie vor bald hundert Jahren zu Grunde ging, nur wenig von ihrem Charme eingebüßt. Dabei ist es nicht allein die fast märchenhaft verklärte royale Sphäre, die hier Reiz ausübt, sondern vor allem die schier unwiderstehliche Vermischung der Ethnien, Sprachen und Kulturen des ehemaligen Vielvölkerreichs. Ungarn, Rumänen, Tschechen und Slowaken, Slowenen und Kroaten, Bosnier, Siebenbürger, die Gemeinschaften der Roma und natürlich die Wiener in ihrer Einzigartigkeit – sie alle gaben die Ingredienzien für eine über Jahrhunderte entstandene Melange der kulturellen Verschmelzung, lange bevor an eine europäische Einigung auf dem Balkan zu denken war. Dass die Faszination ungebrochen blieb, dafür sind
nicht zuletzt die Erfolgsoperetten des ungarischen Komponisten Emmerich Kälmän (eigentlich Imre Koppstein, 1882 bis 1953) verantwortlich, allen voran DIE CSÁRDÁSFÜRSTIN und GRÄFIN MARIZA. In ihnen konservierte sich „die Welt von Gestern“, wie Stefan Zweig sie treffend nannte. Auf den Bühnen immer wieder zu neuem Leben erweckt, blieb diese Welt über die Zeiten erstaunlich präsent (man bedenke, dass die Generation derer, die die Monarchien in Mitteleuropa noch bewusst erlebt haben, unsere Groß- und Urgroßeltern waren!) Doch anders als ihre 1915 entstandene Vorgängerin DIE CSÁRDÁSFÜRSTIN kam GRÄFIN MARIZA im Jahre 1924 heraus, also nach dem Ende der kuk-Monarchie. Das Riesenreich war unwiederbringlich in einzelne Nationalstaaten zerfallen, die Adelskaste arbeitslos geworden. So gesehen verweisen Sujet, Handlung, Text und Musik der GRÄFIN MARIZA bereits 1924 in die Vergangenheit, auch wenn Kälmän mit „Shimmy“ und „Java“ Modetänze der „Roaring Twenties“ einbaute, vielleicht sogar, um die Distanz zur untergegangenen Monarchie hervorzuheben. Denn der Komponist und die Textautoren spekulierten zielsicher auf die Sehnsucht nach dem Verlorenen, wie anders sollte man sich sonst die Sogwirkung von Liedern wie „Grüß mir die süßen, die reizenden Frauen im schönen Wien“ oder „Komm Zigäny“ (Tassilo, I. Akt) oder das berühmte „Höre ich Zigeunergeigen“ (Mariza, I. Akt) erklären? Die Akteure der Operette stehen mit ihrer persönlichen Vorgeschichte wie auch in ihrem Lebensgefühl im Bann einer zauberhaft-versun-kenen Vergangenheit, einer scheinbar besseren Zeit. Und genau diese Haltung macht sie über die Jahrzehnte eben auch zu Verbündeten des Publikums: Blickt nicht jeder irgendwann auf sein Leben zurück, auf Kindheit und Jugend, das Schöne verklärend, das Schwere verdrängend? Man mag diese Sentimentalität der Operette ablehnen, entgehen kann man ihr nicht. Und so erstehen die Operettenhelden immer wieder neu, erfüllen uns mit ihrer beglückenden Wehmut und werden lebendig – wenn auch vielleicht nur für eine selige Nacht.

Von Peter Larsen

 

SIE IST DIE LADY
Joana Caspar über ihre Gräfin Mariza

Peter Larsen: Liebe Frau Caspar – Emmerich Kaimans GRÄFIN MARIZA gehört zu den beliebtesten Operetten überhaupt und begeistert schon durch die mitreißenden bis gefühlvollen Melodien – Sie singen, spielen und tanzen nun die Titelrolle. Wie gefällt Ihnen diese Aufgabe?

Joana Caspar: Das ist schon eine ganz schöne Herausforderung. Aber eine gute Abwechslung zur Oper. Besonders gefällt mir, dass Operette immer mit einem Happy-End aufhört. Es ist meiner Meinung nach viel schwieriger, in der scheinbar „leichten“ Operette, große Emotionen darzustellen als in der Oper, in der die Musik die Emotionen wesentlich stärker vorprägt. Komödie und tragische Anteile wechseln sich in der Operette sehr schnell ab – da muss man schon flexibel sein. Dazu kommt die Schwierigkeit, zwischen anspruchsvollem Ariengesang und gesprochenen Dialogen umzuschalten.

PL: Die Gräfin steht ja unbestritten im Mittelpunkt der Handlung, zieht die Fäden und lässt ihrem Temperament freien Lauf. Können Sie sich eigentlich mit dieser Frau identifizieren, mögen Sie die Mariza als Figur?
JC: Ich mag die Mariza in unserer Inszenierung. Mein Bühnenpartner und ich sind ja noch jung. Mariza ist hier nicht so adelig-mondän, sondern eine junge, unbefangene Frau, die ihren Spaß und auch ihren Platz im Leben sucht. Und ich möchte die Mariza sympathisch und nicht in der Machtrolle der Gutsherrin zeigen. Dennoch weiß sie in jedem Moment, dass sie die „Lady“ ist.

PL: Schnell fühlen sich Mariza und ihr „Verwalter“ Bela Törek alias Graf Tassilo zu einander hin gezogen. Was fasziniert Sie an diesem Mann?

JC: Na, die „Chemie“ stimmt einfach! Schon als sie ihrem Verwalter bei der ersten Begegnung die Hand gibt, „funkt“ es. Mariza fasziniert, dass er der erste Mann zu sein scheint, der ihr nicht sofort den Hof macht. Eigentlich kommt eine Liebesbeziehung aufgrund des Standesunterschieds gar nicht in Betracht – daher können sich die beiden zwanglos näher kommen und gewissermaßen auf neutralem Boden kennen lernen. So kann ein wirkliches und vor allem, was für die Gräfin wichtig ist, ehrliches Gefühl entstehen. Liebe entsteht nicht unter Druck.

PL: In der turbulenten Handlung dreht sich alles um Geld und Liebe. Mariza jedenfalls möchte nicht wegen ihres Vermögens begehrt werden. Im Stück findet sich dank einer reichen Gönnerin am Ende die rettende Lösung: Der mittellose Inkognito-Graf wird finanziell voll rehabilitiert. Doch was zählt nach Ihrer Ansicht: Geld oder Liebe? Würde Mariza auch den armen Verwalter lieben können?

JC: Ja, ich glaube schon. Mariza ist ja so selbstbe-wusst und auch finanziell unabhängig, dass sie auf die innere Stimme der Liebe hören könnte; auch wenn Tante Bozi nicht käme, würde ich als Mariza meinem Glück folgen.

PL: In unserer Inszenierung erscheint die Operettenhandlung wie ein selbstvergessener Schimmer aus einer versunkenen Epoche – ein Balkan-Museum erwacht zu neuem Leben. Vor allem die Musik aber scheint ungebrochen wirksam zu sein und zu Herzen zu gehen. Haben Sie eine Erklärung weshalb?

JC: Mir zaubert diese Musik einfach ein Lächeln auf das Gesicht. Für mich sind das romantische Gefühle, die man im Alltag heute oft vermisst: dieser Glamour und das Gefühl von der Musik umgarnt und getragen zu sein, gibt mir ein Hochgefühl und gute Laune!

PL: Dann wünsche ich Ihnen viel Vergnügen und ein herzliches Toi toi toi für Ihre Gräfin Mariza!
Quellen:
Textnachweise
Alle Texte sind Originalbeiträge für dieses Programmheft: Peter Larsen: Zauberhafte, versunkene Welt Trier, Januar 2013. Sie ist die Lady. Joana Caspar über ihre Gräfin Mariza Die Fragen stellte Musikdramaturg Dr Peter Larsen Trier, Januar 2013

Bildnachweise
Coverbild von Marco Piecuch, Trier.
Szenenfotos der I. Hauptprobe vom 21.01.2013 von Marco Piecuch, Trier

Impressum
Herausgeber: Theater Trier // www.theater-trier.de
Intendant Gerhard Weber // Verwaltungsdirektorin Heidi Schäfer
Am Augustinerhof // 54290 Trier
Spielzeit 2012/2013 // Heft 9// Redaktion und Gestaltung: Dr. Peter Larsen
Layout und Druck: ensch:media, Trier // www.ensch-media.de

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