Supertolle Söhne

Krimigroteske „Alles für Mama“ im TAW Frankenthal – Premierenpublikum begeistert – Jede Menge Situationskomik

Sie wollen alle nur das Beste: Die Mamas sowieso, aber auch die Söhne. Die nämlich entführen die Großindustrielle, die Mutter schnöde gefeuert hat. Doch dann gerät alles aus den Fugen. Stefan Vogels Stück „Alles für Mama“ feierte in der Inszenierung von Klaus Dieter Köhler am Donnerstag im ausverkauften Frankenthaler Theater Alte Werkstatt umjubelte Premiere.

Die Brille. Diese dicke Brille auf der Nase von Herbert: Ruckartig zieht er sie ab, in Momenten der Dramatik, der Erkenntnis – oder auch einfach so, als nervösen Tick. Die Brille: Daran hält er sich fest, wenn gar nichts mehr geht. Und das passiert ziemlich häufig. Denn Herbert fühlt sich zwar als geborener Anführer – dabei ist er einfach nur der älteste von drei Brüdern, die ziemlich dilettantisch eine Entführung durchzuziehen versuchen. Wolfi, der Jüngste, weiß recht bald: Immer, wenn Herbert zu denken anfängt, kommen sie dem Knast einen Schritt näher. Der aufbrausende Lederjacken-Rowdy Wolfi hilft mit seinem aggressiven Misstrauen aber auch nicht wirklich weiter, und der mittlere Bruder Leo ist vor allem ein dicker kleiner Spießer, der am liebsten in seinem Sockenladen stehen würde. Immerhin kam er leicht an Strumpfmasken ran.

Opfer ist Konstanze Papenburg, entscheidungsfreudige Firmenchefin, die mit jeder Situation umgehen kann – mit fast jeder. Wenn die Sprache auf den eigenen Sohn Christian kommt, wird sie kleinlaut. Und als sie erfährt, dass der für sie kein Lösegeld zahlen will, verstummt sie erstmal ganz.
Regisseur Klaus Dieter Köhler macht aus der Vorlage eine witzige Krimigroteske, gespickt mit Gags -Herberts Brille! – und Situationskomik, etwa, wenn die Verbrecher zu wenig Chloroform benutzen, ihre Masken zu früh abziehen, ihre Decknamen durcheinanderbringen – und alsbald gegenüber der Entführten die Opferrolle eir hmen. Jörg Nadeschdin – vielversprechender Neuzugang im TAW-Ensemble -, Patrick Twinem und Danilo Fiori| spielen das Brüdertrio zwischen Zusammenhalt, Streit und Mutterliebe, Yvonne Vogel zeigt in Businesshoseii, wo’s lang geht. Und Sascha Stegner 4 mit vollem Haupthaar dank Perücke – gibt ihren Sohn, einen Herzschmerz-TV-Moderator, mit hingebungsvollem Schmalz.
Es sind krause Charaktere, die in „Alles für Mama“ aufeinanderprallen: Drei tollpatschige Möchtegernkriminelle, eine toughe Businessfrau, und mit deren Sohn ein Fernseh-Schleimbeutel mit Teddy-Trauma und grollendem Hass auf die Mutter. Dramaturgisch geschickt spitzt sich der gegenseitige Argwohn zu: Der Mittelteil ist das Beste an diesem Stück – das freilich in der Inszenierung des spürbar erfahrenen Köhler ohnehin nicht durchhängt. Immer verfahrener wird die Situation, bis kein Ausweg mehr möglich scheint – und das Vergnügen des Zuschauers auf die Spitze getrieben wird, wenn irgendwann jeder denkt, der andere würde etwas vorspielen, würde tricksen und täuschen. Und die ganze Zeit ist klar: Man macht halt doch alles für Mama, dieses geliebte Monster.

Von Harald Mühlbeyer