• Theaterregisseur Klaus-Dieter Köhler: 10 Jahre Kartenhaus Ensemble

Von Hendrik Jung

STRINZ-MARGARETHÄ Theater, Tango, Clownerie. Mit einer Vielzahl von Trümpfen punktet das Kartenhaus-Ensemble bei der Feier zu seinem zehnjährigen Bestehen. Bevor die Gäste sich im lauschigen Garten des Ensemblegründers Halvor Boller von Christiane Lüder und Bianca Breitfeld mit ihren temperamentvollen Tangos verführen lassen, steht zunächst ein scharfsinniges Ein-Mann-Stück auf dem Programm. Mit einem scharfen Geräusch zerreißt zu dessen Auftakt das Papier, das eben noch als Projektionsfläche für einen Schattenriss gedient hat. Den Regenschirm voran tritt ein Mann durch den Zuschauerraum auf die Probebühne und verkündet: „Scharfes Denken liegt mir gründlich fern, deshalb bin ich ein guter Bürger.“ Eine Paraderolle, die sich Schauspieler Halvor Boller selbst auf den Leib geschrieben hat und mit der er bereits zum MonoBene Festival nach Klagenfurt eingeladen worden war.

 

Bemerkenswerte Denkanstöße

In seiner Collage bringt er gekonnt starke Texte von Robert Walser auf die Bühne und liefert damit eine Vielzahl bemerkenswerter Denkanstöße wie „Die Welt ertrinkt förmlich in Tatenlosigkeit“ oder „Der Hass zerstört den Geist im Menschen auf eine vernichtende Weise“. Um diese Botschaften zu vermitteln, deklamiert Halvor Boller auch mal beim Balancieren, tanzt auf dem Tisch oder lässt sich von einem unsichtbaren Gegenüber beuteln. „Kleinkunst ist heute nur noch Belustigung“, bedauert der 55-Jährige, der sich immer mehr unabhängig vom Kulturbetrieb macht. Zunächst mit der Gründung des Kartenhaus-Ensembles zusammen mit dem freien Regisseur Klaus-Dieter Köhler, das vor genau zehn Jahren in der Jungen Bühne Schlangenbad mit Halvor Bollers Stück „Alles Müll“ debütiert hat. „Oft haben Kollegen das Bedürfnis, Stücke aufzuführen, aber keinen Namen. Die Idee mit dem Kartenhaus-Ensemble war, ihnen ein gemeinsames Dach zu bieten“, erläutert Klaus-Dieter Köhler.

Zunächst ist dies an wechselnden Spielstätten, vor allem in Wiesbaden, erfolgt. Auch eine Kindergruppe hat es einst gegeben. Dann hat Halvor Boller sich kurzerhand auf seinem Grundstück seine eigene kleine Bühne geschaffen, auf der seit fünf Jahren neben Eigenproduktionen des Ensembles immer wieder auch Gastspiele zu erleben sind. „Man muss nicht groß fragen, sondern macht es einfach“, verdeutlicht der Hausherr. Bei Bedarf könne er hier auch um halb zwei Uhr nachts proben oder ein Stück mitten in seinem Bühnenbild schreiben. Vor allem aber verschafft es ihm die Freiheit, sich Themen zu widmen, die ihm am Herzen liegen. Den Text zu „Der Querdenker“ etwa hat er zur Hälfte aus dem Schutzschirmvertrag kopiert, den das Land Hessen mit den Kommunen zu deren Entschuldung geschlossen hat. Sein Stück „Die Chance“ hat er mit Geflüchteten inszeniert, die er in ihrer Unterkunft in Strinz-Margarethä auch ehrenamtlich betreut hat. Ein Engagement, für das er 2016 mit dem Integrationspreis des Rheingau-Taunus-Kreises ausgezeichnet worden ist. Bemerkenswerte Produktionen, mit denen manchmal jedoch selbst ein Zuschauerraum mit zwanzig Plätzen nicht ganz zu füllen ist. „Ich habe dieses Jahr schon den Gedanken gehabt, zuzumachen“, verdeutlicht Halvor Boller. Doch auf der anderen Seite warten bereits die nächsten Ideen auf ihre Umsetzung. Außerdem wird der Gedanke, mit der Probebühne einen Platz zu schaffen, an dem man sich in Strinz-Margarethä treffen kann, bei der Jubiläumsfeier so zauberhaft umgesetzt, dass man sich nicht vorstellen mag, darauf in Zukunft verzichten zu müssen.

 

TERMINE

Am 30. Juni findet auf der Probebühne in der Schulstraße 10 in Strinz-Margarethä eine Lesung mit Karl Jürgen Siehler und Klaus-Dieter Köhler statt. Unter dem Titel „Das Runde muss ins Eckige“ dreht sich dann alles um den Fußball. Los geht es um 18 Uhr, im Anschluss wird das abendliche Achtelfinalspiel der Fußball-Weltmeisterschaft gezeigt.

Weitere Informationen unter www.kartenhausensemble.de.

Foto: wita/Martin Fromme
Quelle Text: Wiesbadener Kurier