• Klaus-Dieter Köhler Theaterregisseur Wiesbadener Revue

von Willy Russel
(Educating Rita)

Die muntere Friseurin Rita belegt im Rahmen der Erwachsenenbildung einen Literaturkurs an der Universität und bringt frischen Wind in die Welt ihres desillusionierten Tutors. Aber je mehr sie sich den Konventionen des Bildungsbetriebs anpasst, um so mehr fühlt sie sich in ihrem alltäglichen Umfeld als Außenseiterin. Verträgt die Bildung so viel Rita, und verträgt Rita so viel Bildung?

PREMIERE 14.06.2019

Boulevard Münster
Regie: Klaus-Dieter Köhler
Ausstattung: Elke Ober

 


Kritik

Rita drängt es nach Bildung

Von Petra Noppeney

MÜNSTER. Wer in diesen Tage an Liverpool denkt, hat Jür­gen Klopp vor Augen, den deutschen Fußballtrainer, der die Liverpooler Fußball­-Recken zum Champions­-League-Titel führte. Reminiszenzen an „Kloppo“ wird der Zuschauer auch in der neuen Produktion „Rita will’s wissen“ im Boulevard Münster entdecken. Denn Rita, die Titelfigur, ist Friseu­se in Liverpool. Und obgleich Regisseur Klaus-Dieter Köh­ler Rene Heinersdorfs deut­sche Fassung der englischen Erfolgskomödie „Educating Rita“ von Willy Russell als Grundlage für seine Insze­nierung gewählt hat, spielt diese doch in der Stadt der Beatles. Maria Goldmann (Tochter von Marianna Thalassinou, der Gründerin des Kammer­theaters Kleiner Bühnenbo­den in Münster) spielt erst­mals beim Boulevard. Sie verkörpert jene Rita, die zwar eine gute Friseuse ist, die es aber nach Wissen, nach Bildung drängt. Also schreibt sie sich in dem Stück, das am Freitag (14. Juni) im Boulevard Münster in der Königspassage Pre­miere hat, an der Open Uni­versity von Liverpool ein, um einen Examensabschluss zu erlangen. Ihr leicht arroganter Lite­raturprofessor Frank, ge­spielt von Marcus Angen­vorth, macht Ritas Unbedarftheit anfangs fassungs­los. Doch schließlich, so viel sei Unkundigen des Stoffes verraten, ist er verzückt und später sogar verliebt. Ganz so, wie es Theatergänger aus Georg Bernhard Shaws Schauspiel „Pygmalion“ ken­nen, das Russen zu „Educa­ting Rita“ ( l 980) inspirierte. Russells Originalstoff hat laut Köhler auch ernste Zü­ge. So leidet Frank darin unter der Tatsache, dass er nur Lehrkraft und kein Schriftsteller geworden ist – was ihn zum Alkohol greifen lässt. In der Boulevard-In­szenierung jedoch werden die komödiantischen, char­manten Momente betont. „Zwei ungleiche Charaktere treffen hier aufeinander, und am Ende wird sie ihm sogar über den Kopf wachsen“, lässt Köhler durchblicken. Elke Ober hat das Bühnen­bild geschaffen, das von – wie sollte es anders sein? – Büchern dominiert wird. Zwei Fenster geben zudem den Blick ins Grüne frei. Wa­rum sich Ober und Köhler trotz einer deutschen Fas­sung für die englische Va­riante mit Liverpool als Spielort entschieden haben? „Weil dieser Stoff für uns bei­de nach England gehört“, gibt Köhler zu verstehen. Weil es darin auch um die Kluft zwischen Arm und Reich geht und um das, ,,Was Bildung mit uns macht“. Köhler hofft darauf, dass Russells Stück vielleicht auch ein Tipp für Schulklas­sen sein könnte: ,,Es wird im Englisch-Unterricht noch viel gelesen.“

 


 

Das wirkt wie ein Lebenselixier

Von Arndt Zinkant

MÜNSTER. Rita hat Herz und Schnauze auf dem rechten Fleck. Als sie staunend in die urige Bücherstube des Literaturdozenten Frank stolpert, sprudelt die Begeisterung aus der 29-jährigen Friseuse nur so heraus. In einem fröhlich derben Arbeiter-Jargon, den der professorale Feingeist nicht alle Tage hört. Aber genau diese Sprache will Rita nun loswerden – mittels Kenntnis der hohen Literatur. So eine Studentin hat dem trinkfesten Griesgram gerade noch gefehlt!

Der doppelte Boden in puncto Bildung ist Willy Russells Komödie „Rita will’s wissen“ bereits eingebaut – ist sie doch eine hübsche Variation des „Pygmalion“-Stückes von George Bernard Shaw, das wiederum als Musical „My Fair Lady“ legendär wurde (dessen berühmte Hits denn auch kurz im Boulevardtheater erklingen). Das Stück spielt also mit genau jenem Bildungsdünkel, der nicht wenige Snobs von leichten Stoffen oder Boulevard-Bühnen fernhält. Die tolle Inszenierung von Klaus Dieter Köhler hätte bei der Premiere mehr Publikum verdient, erntete aber umso lauteren Applaus.

Für die Schauspieler ist die Sache knifflig: Krachlederner Slapstick verbietet sich hier ebenso wie zu hohes Pathos – obwohl Michael Caine in der Filmversion 1983 seinen Frank teils als zerknautschten Schmerzensmann gespielt hatte. Markus Angenvorth setzt dagegen auf melancholischen Sarkasmus, der zur Bühne des Boulevardtheaters besser passt. Und Maria Goldmann lotet als Rita sämtliche Facetten dieser sympathischen Figur aus. Ihre erste Rolle im Boulevard Münster und hoffentlich nicht die letzte.

Apropos sympathisch: Der Intellektuelle Frank ist ob der naiven Begeisterung des Working-Class-Girls sofort hingerissen – was ihn in die Bredouille bringt: Durch sein pädagogisches Wirken beschädigt er jenen Teil ihres Wesens, in den er sich immer mehr verliebt (während Shaws kalter „Prof. Higgins“ das Blumenmädchen Eliza wie eine Statue formen wollte). Für Rita ist das Ganze eine Emanzipationsgeschichte. Aus eigenem Antrieb will sie nicht nur dem tumben Ehemann, sondern vor allem ihrem Milieu entfliehen – wo man im Pub „Atemlos durch die Nacht“ grölt –, auf dass sie nicht mehr Oscar Wilde mit Gina Wild verwechsle. Die (oft aktuellen) Anspielungen machen Spaß, und vom Beatles-Song bis zu Jürgen Klopp wird Liverpool Reverenz erwiesen. Ein Boulevard-Stück, das Shakespeare und Co. wie ein Lebenselexier preist, sollte man sich nicht entgehen lassen.

Weitere Eindrücke von Rita finden Sie hier.